Was Sie wissen sollten, damit die Natur wirklich profitiert
Was Sie wissen sollten, damit die Natur wirklich profitiert Der Artenschwund in der Kulturlandschaft ist dramatisch und das Insektensterben in aller Munde – nicht zuletzt aufgrund des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“. Dieses hat viele Menschen aufgerüttelt, die sich jetzt für die Insektenwelt und für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzen wollen. Blühflächen, Blühstreifen und sogar Blühpatenschaften, die immer mehr Landwirte anbieten, erleben in diesem Zusammenhang gerade einen wahren „Hype“. Und tatsächlich: Diese können zur Sicherung der Artenvielfalt um zum Schutz von Insekten beitragen. Aber nur als eine von vielen notwendigen und / oder hilfreichen Maßnahmen. Und längst nicht jeder gut gemeinte „Blühstreifen“ erfüllt auch seinen Zweck und ist gut für die Natur. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um dieses komplexe Thema und sagen Ihnen, welche Kriterien und Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit unsere Insektenwelt und die Natur insgesamt wirklich von solchen Maßnahmen in der Feldflur profitieren. Auf die Anlage von Blühflächen im Siedlungsgebiet gehen wir dagegen hier nicht ein – für diese gelten andere Empfehlungen.Die nachfolgenden Antworten finden Sie auch hier als PDF zum Download.
FAQ
1Was ist unter einem Blühstreifen bzw. einer Blühfläche zu verstehen?
Blühstreifen oder Blühflächen entwickeln sich, wo Teile der Ackerflächen
zeitweilig – für mindestens ein Jahr, besser für mehrere – aus der Nutzung
genommen werden. Und das im besten und einfachsten Fall von ganz
allein: Blühstreifen oder Blühflächen müssen nicht eingesät werden. Sie vorhandenen und angewehten Samen. Solche so genannten
„Grünbrachen“ (die durch die natürliche Vegetationsentwicklung trotzdem
blütenreich und bunt werden, im Gegensatz zur „Schwarzbrache“, die
durch Bodenbearbeitung und/oder Pestizide ganzjährig bewuchsfrei
gehalten wird) sind billiger als eine Einsaat, und die entstehende
Vegetation setzt sich aus den natürlich vorkommenden, standorttypischen
Arten zusammen. Gleichzeitig erfüllen Grünbrachen aber dieselben
ökologischen Funktionen wie gezielt angelegte, eingesäte Blühflächen
oder -streifen, die oft nicht mit „autochthonem“ – also standorttypischen,
heimischen Saatgut angelegt werden.
2Und warum sind Blühstreifen oder Blühflächen keine „Blühwiesen“?
Der Begriff „Blühwiese“ hat in diesem Zusammenhang nichts zu suchen –
er ist irreführend: Mit den gezielt angelegten Blühflächen oder den allein
aus Nutzungsverzicht im Ackerland entstehenden Grünbrachen haben die
Blühwiesen nichts zu tun - dieser Fachbegriff bezeichnet die bei uns sehr
selten gewordene, artenreiche, extensiv genutzte Feucht- oder
Magerwiesen von hohem naturschutzfachlichem Wert. Wo sie aus der
traditionellen Grünlandbewirtschaftung entstanden sind und sich bis heute
erhalten haben, sind sie unbedingt zu schützen. Auch sonst darf
bestehendes Grünland in keinem Fall umgebrochen werden, um dort
dann eine „Blühwiesenmischung“ einzusäen - nicht jede Wiese muss in
tausend Farben erstrahlen, um einen naturschutzfachlichen Wert zu
besitzen. Aus Intensivgrünland wiederherstellen lassen sich wertvolle
artenreiche Wiesen ausschließlich durch eine Nutzungsextensivierung
(Verzicht auf Düngung etc.), Mahd- und Weidemanagement und
gegebenenfalls eine Heusaatausbringung, aber nie durch Neuansaat.
3Wo fördert die Anlage von Blühflächen die Artenvielfalt und wo schadet sie eher?
ist, muss nicht immer gut und zugunsten der Artenvielfalt wirken: Vor der
Anlage einer Blühfläche muss immer der Ausgangszustand der dafür ins
Auge gefassten Fläche geprüft und berücksichtigt werden:
Unproblematisch und willkommen sind solche Streifen im reinen
Ackerland – dort tragen sie tatsächlich zum Erhalt der
Artenvielfalt bei.
Problematisch und oft sogar absolut kontraproduktiv ist es
dagegen, wenn bestehende, gewachsene Vegetation
umgebrochen wird, um dann an ihrer Stelle Blühflächen oder -
streifen einzusäen. Damit helfen wir der Natur nicht, ganz im
Gegenteil – wir zerstören so vorhandene wertvolle
Biotopstrukturen. Wertvoll für Insekten und andere Artengruppen
sind dabei nicht zwangsweise nur besonders bunte und
blütenreiche Strukturen. Auch z.B. die weniger „bunten“ die
Sandmagerrasenbestände entlang der mittelfränkischen
Staatsstraßen oder sogenanntes Unland wie Brennesselfluren,
Seggenbestände oder Hochstaudenfluren sind
naturschutzfachlich äußerst hochwertig und wichtig – es wäre es
fatal, wenn sie umgebrochen werden würden, um anschließend
eine (meist gebietsfremde) Samenmischung auszubringen! Zum
Schutz der Biodiversität trägt dort ein gutes Pflegemanagement
viel mehr bei (spätes Mähen, damit die Pflanzen aussamen
können, Abräumen des Mähguts zur Ausmagerung oder der
Verzicht auf Mulchen).
Problematisch sind solche Streifen auch entlang von Gewässern:
Zum Schutz der Artenvielfalt und, um den Nährstoffeintrag in die
Gewässer zu reduzieren, brauchen wir Gewässerrandstreifen
ohne ackerbauliche Nutzung. Von Landwirten gezielt angelegte
Blühflächen oder streifen bleiben aber per Definition Ackerland
und werden regelmäßig umgebrochen – im
Gewässerrandstreifen schaden sie also mehr, als sie nutzen. Für Insekten sind Größe und Form einer Grünbrache oder angesäter
Blühflächen oder -streifen nicht entscheidend. Aber solche zeitweilig aus
der landwirtschaftlichen Nutzung genommenen Bereiche werden auch
von anderen Artengruppen besiedelt – z.B. von Vögeln oder Kleinsäugern.
Das wissen auch deren natürliche Feinde: Sie patrouillieren auf der Suche
nach Beute auch Blühflächen oder -streifen gezielt ab. Je schmäler oder
kleiner solche Flächen sind, desto größer ist daher auch die Gefahr, dass
Tiere, die sich in solche Rückzugsräume in einer ausgeräumten
Agrarlandschaft zurückziehen, dann dort z.B. Fuchs oder Marder zum
Opfer fallen. Ein Blühstreifen sollte daher möglichst nicht schmäler sein als
3 m (besser breiter), und flächenhaften Grünbrachen oder Blühflächen ist
generell gegenüber streifenförmigen der Vorzug zu geben.
4Für welchen Zeitraum sollte eine Blühfläche mindestens angelegt sein?
den Schutz der Artenvielfalt erreichen Blühflächen erst ab dem dritten
Jahr. Und Blühflächen werden auch nicht nur im Sommer genutzt: Sie
beherbergen auch viele Überwinterer und Larvenstadien von Insekten. Für
sie werden Blühflächen, die im Herbst gemulcht werden oder die
umgebrochen werden, um wieder landwirtschaftlich genutzt zu werden,
zu ökologischen Fallen – zu Flächen, die Tiere anziehen, nur damit sie
dann dort vernichtet werden.
Grundsätzlich muss für den Schutz der Biodiversität Schaffung und Erhalt
dauerhafter Lebensräume Vorrang haben. Und die Anlage einer
Blühfläche schafft nie einen dauerhaften Lebensraum – dessen müssen
wir uns bewusst sein. Wird eine Blühfläche also wieder landwirtschaftlich
genutzt, sollte sie daher zumindest entsprechend dem Prinzip der
Fruchtfolge ein anderer Acker(teil) als neue Blühfläche ersetzen.
5Wie muss die Einsaat einer Blühfläche vorbereitet werden?
Auf gar keinen Fall darf die Fläche zur Vorbereitung einer Neuansaat mit Glyphosat auf „Null“ gesetzt werden.
6Welches Saatgut sollte verwendet werden?
Die Auswahl des Saatguts ist standortabhängig. Generell sollte
autochthones Saatgut verwendet werden, d.h. es sollten Arten ausgesät werden, die in der entsprechenden Region heimisch sind. Die Mischung
sollte keine Kulturarten enthalten und keine ortsfremden Pflanzenarten. Es
gibt diverse Anbieter (je nach Gegend) für autochthone Samen
mischungen, z.B. den Saatgutbetrieb J. Krimmer aus Freising-Pulling,
www.rieger-hofmann.de, www.regiozert.de oder www.natur-im-vww.de.
Die oft zitierte Veitshöchheimer Bienenweide ist eine häufig verwendete
Standardmischung der BayWa, die zwar der Honigbiene nutzt, aber nicht die Artenvielfalt schützt - sie enthält Kulturpflanzen und ortsfremde Arten.
7Darf eine Blühfläche gedüngt werden? Was ist mit dem Einsatz von Pestiziden?
Blühflächen dürfen weder gedüngt noch mit Pestiziden behandelt werden
– eine Fläche, von der Insekten profitieren sollen, mit
Insektenvernichtungsmitteln zu behandeln, wäre absolut kontraproduktiv.
Pestizide können aber auch beim Ausbringen bzw. durch Wind auf
angrenzende Flächen verfrachtet werden. Deshalb sollten Blühflächen
auch ausreichend Abstand zu Flächen einhalten, auf denen Pestizide
ausgebracht werden, oder zumindest bzw. so groß sein, dass sie davon höchstens randlich beeinträchtigt werden.
8Wie sollte eine Blühfläche gepflegt werden?
Wertigkeit. Den größten Wert haben mehrjährige Mischungen, die ganz
ohne Eingriffe viele Jahre stehen bleiben können. Einjährige Mischungen,
die mit der Kultur abgemäht werden, haben dagegen nur eine deutlich
geringere Wertigkeit und beinhalten sogar die schon geschilderte Gefahr,
für manche Arten zur ökologischen Falle zu werden. Es gibt auch
Zwischenstufen (einjährige Mischungen, die bis in den Winter stehen
bleiben oder mehrjährige Mischungen, die zwar gemulcht oder gemäht
werden, aber im Folgejahr wiederkommen).
Wenn eine Blühfläche überhaupt gemäht oder gemulcht wird, sollte
zumindest nie die ganze Fläche gemäht werden, sondern wenigstens ein
Streifen über den Winter stehen bleiben, wo Vögel und Kleinsäuger noch
Sämereien finden.
Anlage und Pflege von Blühfläche erfolgt idealerweise mit Beratung durch
Naturschutzverbände, Untere Naturschutzbehörden und andere Experten.
9Bekommt ein Landwirt zusätzlich zu den Patenschaften noch Fördermittel?
Ja, die Anlage von Blühstreifen wird auch über die
Agrarumweltmaßnahmen des Freistaats gefördert: Im bayerischen
Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) erhalten Landwirte zusätzlich
mindestens 600 Euro pro Hektar, auf wertvollen Böden auch noch deutlich
mehr.
10Wo bekomme ich weitere Informationen zu dem Thema?
www.lbv.de und www.bluehende-landschaft.de